Montag, 12. Oktober 2020

Schreck lass nach!

Die Sonne kletterte bereits über die Baumkronen, als ich mich auf den Weg zu einem morgendlichen Spaziergang machen wollte. Die Hühner waren noch emsig mit ihrem Frühstück beschäftigt und das Schmatzen der Schweine mischte sich mit dem leisen Rauschen des Meeres.

Mein Blick fiel auf die Stelle, wo der Seedrache versiegelt war. Irgendetwas stimmte nicht. Ich wollte eigentlich nur nach dem Rechten sehen ... doch wie so oft, wäre es wohl besser gewesen, sich die Bettdecke über die Ohren zu ziehen!

Als ich die Treppe hinunterstieg, um aufs Wasser zu sehen und die Schaumkrone zu sichten, war diese einer schlammigen Wasserbrühe gewichen. Für einen kurzen Moment schossen mir tausend Szenarien durch den Kopf. Eine schlimmer als die andere.



Unwillkürlich krallte ich meine Finger in das Holz des Geländers. Panik stieg in mir hoch. Das Siegel war bereits gebrochen! Wie konnte das nur so schnell geschehen? Klar, die ersten Anzeichen waren bereits vor einigen Tagen zu sehen, aber damit hatte ich nicht gerechnet!

Wie konnte das nur passieren? Erst mal hieß es: Durchatmen! Der Seedrache war also erwacht und hatte das Siegel aufgelöst. War er vielleicht schon abgehauen? Und was, wenn er noch da war - wie würde er wohl reagieren?



Schnell sprintete ich zum Wasser. Das Ungetüm war noch da! Seine Aura war deutlich zu spüren. Aber was war das? Mit einem Schaudern bemerkte ich, dass der Drache meine Gegenwart genauso wahrgenommen hatte, wie ich die seine. Ein Kraftpaket an Magie und Willensstärke - aber seine Aura war in gewisser Weise merkwürdig. Ich hatte da schon eine Ahnung ...

Starr blieb ich am Ufer stehen und blickte auf das trübe Wasser. So schnell wie die Präsenz sich manifestiert hatte, so rasch flaute sie auch wieder ab. Was hatte sich da Leviathan nur unfreiwillig herangezüchtet? Wie konnte er das Ding nur so lange im Zaum halten? Der Halunke hatte wohl mehr auf dem Kasten, als ich vermutet hatte. Und die Frage nach dem „Warum“ blieb weiterhin unbeantwortet, auch wenn ich noch so sehr darauf brannte die Antwort zu erfahren.


Wenigstens konnte ich bei dem Seedrachen keinen Groll oder Zorn spüren. Immerhin. Ich musste auf jeden Fall schnell handeln. Hatten wir wirklich die Macht das alles zu bewerkstelligen? Mit leichten Zweifeln verließ ich den Ort wieder. Levi zu retten, verlangte nicht nur Mut und magisches Können, sondern einen Meister seines Fachs ...

Eilenden Schrittes ging ich zum Atelier und hatte einen Geistesblitz, wie ich den Drachen für eine Weile bei Laune halten könnte. Nach ein paar Stunden hatte ich endlich genug Zeug gebraut, um meine Idee in die Tat umzusetzen ...



„Canidio und Nichneven werden mich lynchen.“, murmelte ich, als ich mit einem Fass wieder am Ort des Geschehens angelangt war und die gelbliche Brühe in das schlammige Wasser kippte. Das Zeug wirkte eigentlich sofort. Angewidert hielt ich mir die Nase zu. Warum musste das nur immer so stinken?

Mit einem Mal erhob sich ein blaues Etwas aus dem Meer und starrte mich an! Ich hoffte nur, dass genug Drachenminzgebräu in Kontakt mit dem Seedrachen gekommen war und ich nicht als willkommender Happen in seinem Maul enden würde.


Langsam kam sein Kopf näher und näher! Ein Schwall warmer schwefeliger Luft pustete mir entgegen und dann konnte ich es deutlich vernehmen: Ein kehliges Gurren wedelte mir um die Ohren. Ich hatte es geschafft! Die Drachendame hatte einen Narren an mir gefressen ...


Mal sehen, wie lange die Wirkung anhalten würde. Sollten wir das Vereinigungsritual mit Leviathans Seele noch vor dem Abklingen des Vernarrtheit-Trankes abhalten, könnte das bestimmt lustig werden ... oder eher nicht. Levi, dieser alte Spinner, hatte uns ja schon genug aufgehalst.

Ich fragte mich sowieso, wie das alles ausgehen würde ... Aber mit Sicherheit nicht so wie erwartet ...

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