Je weiter ich mich von meinen heimatlichen Gefilden entfernte, umso mehr blutete mir das Herz. Canidio erging sicherlich genauso, aber sie würde trotz meiner Abwesenheit auch tapfer die Stellung halten. Meine Reise würde vermutlich eine Weile dauern, aber ich hatte einen guten Grund: Unser Leben hing davon ab und letztendlich auch das von Sir Levi.
Als das Schiff die Flammenden Inseln hinter sich gelassen hatte, folgten meine Mannschaft und ich dem südwestlichen Strom der Pilotwale bis wir die ersten pfählernden Klippen des Klingenmeeres passierten. Dort drehte der Wind in südlicher Richtung und schob uns in gefährlichere Gewässer.
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass alles glatt lief. Das Klingenmeer trug nicht umsonst seinen bedrohlich klingenden Namen.
Diese Ecke des Ozeans war bekannt für seine turmhohen Felsen, die meterhoch wie Spitzen aus dem Wasser ragten und das war noch nicht mal das Schlimmste: Unter der Wasseroberfläche lauerte das wahre Unheil. Schon so manches Schiff war diesen Felsen zum Opfer gefallen.
Wir rafften die Segel und trieben mit dem Schiff langsam an den rasiermesserscharfen Felsen vorbei. Gute Augen waren jetzt gefragt! Mit größter Vorsicht umschifften wir die ersten verborgenen Fallen. Doch ein hölzernes Scharren ließ uns plötzlich zusammenzucken. Waren wir etwa Leck geschlagen?
Die Männer rannten zur Railing, ob man irgendetwas erkennen konnte. Dann die Erleichterung: Ein Stück von einem Mast war mit unserem Schiff auf Tuchfühlung gegangen.
Ein beklommenes Gefühl machte sich unter der Mannschaft breit. Hier hatten einmal Menschen ihr Leben gelassen und das Stück Holz war wohl das letzte Übrigbleibsel dieses Unglücks.
Mit viel Glück durchquerten wir die Passage zu den Nebelinseln und unser Schiff war dabei auch heil geblieben. Im Hafen von Grauschleier gingen wir vor Anker und die Mannschaft nahm sich eine kleine Auszeit. Für mich würde die Reise aber weitergehen.
Ich nutzte den Ankunftstag noch, um etwas Kräfte zu sammeln, mir die kleine Stadt anzusehen und die Vorbereitungen für die Weiterreise zu treffen. Vor allem brauchte ich Proviant, eine Karte und ein Pferd.
Bei einem guten Becher Rum erfuhr ich noch ein paar Geschichten über grauenvolle Monster, die in den Bergen hausen sollten und wie manch ein Reisender, den Weg nicht mehr nach Hause fand. Aber das konnte mich nicht von meinem Vorhaben abbringen. Wahrscheinlich waren das eh nur Märchen, die einem Angst machen sollten.
Die Stadt war so, wie ich sie mir vorgestellt hatte: Grau, nass und ungemütlich. Das nebelige Nieselwetter schien den Bewohnern auch aufs Gemüt zu schlagen. Niemand grüßte mich, Fensterläden schlossen sich, als ich die Gassen entlang ging und selbst die Schafe kauten grießgrämig auf ihren Grashalmen herum.
Nach einigem Hin-und-her hatte ich endlich meine Verpflegung beisammen und dem Kartenmacher eine Karte aus den Rippen geleiert. Das Einzigste, was noch fehlte, war ein Pferd. Ich schaute mir ein paar gut genährte Tiere auf der Wiese an. Aber hier wurde ich leider nur von dem Besitzer schroff abgewiesen und musste unverrichteter Dinge von dannen ziehen.
In der Taverne hatte man auch kein Ohr für mein Gesuch und überhaupt, die Leute hatten wohl gar kein Pferd mehr übrig. Ich vermute eher, dass sie mir, einem Fremden, einfach nur misstrauten.
Mit Hilfe von ein paar Münzen erfuhr ich dann von der Stadtwache, dass der Bauer vom Dingenshof einen Gaul abzugeben hätte. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Schnell machte ich mich auf den Weg, um mir das Tier zu holen.
Ungewöhnlich schnell gab mir der Bauer Handschlag und nahm zittrig den Münzbeutel entgegen. Wahrscheinlich war er einfach nur froh seinen alten Klepper los zu sein und ich hatte einen neuen vierbeinigen Reisebegleiter namens Archibald.
Der nächste Tag war genauso trüb, wie der Tag zuvor, als ich mein Pferd bepackte. Man konnte die Sonne nicht einmal durch die dicke Nebelwand erkennen. Nur ein blasses Leuchten verriet, dass der Morgen graute. Bei mir schien die triste Stimmung auch nicht ganz spurlos an mir vorübergegangen zu sein. Zweifel nagten wieder an mir. „War das alles wirklich die Reise wert?“, schoss es mir durch den Kopf.
Ich schob den schmerzvollen Stachel aus meinen Gedanken und begab mich auf die beschwerliche Reise. Ein bis zwei Tage würde ich wohl unterwegs sein bis ich die Berge erreichte und die Suche nach der
Regenwolken legten sich über das Land wie ein Trauerfloor und die Luft roch nach schimmligem Holz. Ich ritt immer tiefer in den Wald hinein. Die Pfade waren fast zugewuchert und das durchnässte Gestrüpp peitschte an den Beinen meines Pferdes.
Die Bäume knarzten unheimlich während der graue Nebelschleier den Boden einhüllte wie eine Decke. Mir schien als stünde die Zeit still und als würde der Nebel meinen Geist umweben. Immer steiler wurden die Wege und umso gefährlicher wurde der Weiterritt, doch ich nahm es nicht wahr.
Irgendwann, ohne zu wissen wie lange ich schon geritten war, rutschte mein Pferd mit den Hufen über den schlammigen Boden. Archibald wieherte erschrocken und just in diesem Moment verlor ich das Gleichgewicht. Die Zügel glitten mir aus den Händen und ich fiel... mitten hinein, bäuchlings in den Morast!
Angewidert spuckte ich den Dreck aus meinem Mund und versuchte mir die Schlammmaske aus dem Gesicht zu entfernen. Der Bart triefte nur so vor Modder und die dunklen Tropfen fielen auf das einst hellbraune Gewand hinab. Mich packte der pure Ekel als ich die Nässe auf meinem Leib spürte. Mit einer hilflosen Geste schüttelte ich den Schlamm von mir und trottete zu meinem Pferd.
Archibald war auffallend unruhig als ich auf ihn zuschritt und erst als ich auf ihn einredete, ließ mich der Hengst die Zügel ergreifen. Ich sah an mir herunter und mein Blick fiel auf eine der Pfützen, die sich in den Fussabdrücken gebildet hatten. Mein Spiegelbild verriet mir nun das ganze Ausmass meiner Verwandlung.
Der Dreck thronte auf meinem Kopf wie der Kuhdung auf der Wiese und der Farbton meines Gewandes war bei weitem nicht mehr von dem des Schlammes zu unterscheiden. Mir schauderte, als mir klar wurde, dass ein Bad nun mehr als fällig war.
Irgendwie schaffte ich es den Dreck mit einer verhältnismäßig wenigen Menge an Wasser zu beseitigen und die Kleidung trocknete ich am Feuer. Der Hengst graste derweil zufrieden zwischen den Bäumen. Unter dem Krächzen einer alten Krähe schlief ich dann irgendwann ein.
Am nächsten Tag erreichten wir dann endlich die Orodril Berge. Ich ließ meinen Reisekumpanen zurück, denn für den Aufstieg war er schon viel zu alt und ungelenk. Aber ich versicherte dem armen Burschen, dass ich bald wieder zurück sei.
Der Aufstieg erwies sich als recht schwierig selbst für mich. Die Felsen waren glitschig und das Moos rutschte unter meinen Füßen. Aber unermüdlich trieb ich mich voran und erklimmte nach vielen Stunden die Spitze des Berges. Ich hatte nicht viel Optimismus, die Blume gleich zu finden. Vor allem der Nebel machte die Sache nicht gerade leicht.
Den Augen konnte man in diesem Dunst nicht trauen. Felsen verwandelten sich zu gruseligen Umrissen und mir schauderte, ob an den Geschichten der Bewohner doch etwas dran sei.
Aber meine Nase hatte bereits die Witterung aufgenommen. Ein feiner süsslicher Duft strömte mir entgegen. Ich musste dem Geruch nur noch folgen und dann sah ich sie: Die Himmelslilie!
Als würde sie nur darauf warten, von mir gepflückt zu werden. Ich war begeistert! Eilig erklomm ich auch noch die letzte Anhöhe und stand nun vor dem Ziel meiner Reise. Endlich! Ich hatte sie gefunden.